US-Forscher, unter anderem von der Universität Princeton und der University of California in Los Angeles, haben in einer kleinen Studie untersucht, wie lange das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 in Aerosolen sowie auf Kunststoff, Edelstahl, Kupfer und Pappe lebensfähig bleibt. Auf Kupfer waren infektiöse Viren bei Tests bis zu vier Stunden, auf Pappe bis zu 24 Stunden und auf Plastik und rostfreiem Stahl bis zu drei Tage nachweisbar. Allerdings fiel die sogenannte Infektionsdosis auf allen Oberflächen in diesen Zeiträumen deutlich ab.
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Studie zu Sars-CoV-2 unter Laborbedingungen
Der Nachweis lebensfähiger Viren auf einer Oberfläche bedeutet aber nicht, dass es in der Realität zu einer Infektion kommt. Der Virologe Hendrik Streeck weist im BR-Interview darauf hin, dass es sich um eine Studie im Labor handelt und vermisst eine genauere Beschreibung des Versuchsaufbaus.
"Was wahrscheinlich durchgeführt wurde, ist, dass im Labor eine Flüssigkeit, in der sich Viren befinden, auf verschiedene Materialien gegeben wurde. Diese Studie verkennt dann einen ganz wichtigen Faktor dabei, nämlich, dass das Virus in einer Flüssigkeit drin ist. Wogegen diese Viren aber sehr labil sind, ist Austrocknung. Solange sich das Virus in der Flüssigkeit befindet, geht es dem gut und es kann weiterhin überleben. Aber wenn es dann austrocknet, stirbt es relativ schnell ab." Hendrik Streeck, Leiter des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn.
Streeck nimmt an, dass sich das Virus so lange auf glatten Oberflächen hielt, weil es immer in kleinen Tropfen Flüssigkeit war. Gute Studien zur Frage, wie lange sich das Coronavirus Sars-CoV-2 unter realen Bedingungen hält, gebe es hingegen nicht.
"Wenn man jetzt annimmt, man niest in seine Hand und greift dann auf den Tisch oder an die Türklinke, dann sind minimale, kleinste Tröpfchen auf der Türklinke oder auf dem Tisch, wo das Virus wahrscheinlich sehr schnell austrocknet. Aber das wurde bisher noch nicht getestet, wie lange wirklich noch Viren von einer Türklinke (in einer Zellkultur) anzuzüchten sind." Hendrik Streeck
Kleine Tropfen mit Viren trocknen schnell aus
Auch der Virologe Christian Drosten bezweifelt im NDR-Podcast, ob die Daten aus der Studie in der Praxis tatsächlich relevant sind.
"Wenn man sich diese Daten in diesem Paper mal anschaut, dann ist gar nicht klar, wie viel Virus in welcher Form auf diese Testoberflächen aufgetragen wurde. Da steht einfach nur, da wurde Virus auf die Oberfläche gegeben. Aber es ist ein großer Unterschied, ob dieses Virus in einem großen oder in einem kleinen Flüssigkeitstropfen ist - oder in einem Tropfen, der fast gar kein Volumen hat." Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie der Charité Berlin
Zwar konnten die US-Forscher auch nach 48 Stunden noch infektiöse Viren auf einer Oberfläche nachweisen, allerdings nur einen Bruchteil im Vergleich zum Startzeitpunkt des Experiments.
"Man startet mit fast 10.000 infektiösen Einheiten und am Ende sind das deutlich weniger als zehn infektiöse Einheiten. Die Frage ist natürlich, wenn man das dann an den Finger kriegt und an den Mund, ob da noch etwas Infektiöses übrig bleibt! Das verdünnt sich auf dem Finger noch mal und kommt dann mit dem sauren Milieu der Haut in Kontakt. Das ist es ja eigentlich, was wir wissen müssten aus so einer Studie, und das kann man in so einfachen Experimenten nicht simulieren." Christian Drosten
In der Studie der US-Forscher fiel die Zahl der Viren unabhängig von der Oberfläche rapide ab. Drosten vermutet, dass nach rund acht Stunden die Flüssigkeitströpfchen, die das Virus enthalten, komplett durchgetrocknet sind. Ob und wie lange sich das Virus hält, habe dann gar nichts mit der Oberfläche selbst und ihrer Beschaffenheit zu tun, sondern liege einfach daran, ob die Tröpfchen und die Viren darin austrocknen oder nicht.
"Die Frage ist natürlich auch: Was ist denn das überhaupt für ein Tröpfchen? Ein Zellkultur-Medium ist wirklich nicht das Gleiche wie ein ausgehusteter Schleim und Speichel. Deswegen muss man ganz vorsichtig sein mit solchen wissenschaftlichen Daten. Die sind nicht falsch. Aber sie sind so simpel, dass die reale Infektion damit wahrscheinlich nicht abgebildet wird." Christian Drosten
Eine verkürzte Veröffentlichung einer solchen Studie findet Drosten schwierig. Wenn die Presse schreibe "Alarm, das Virus ist zwei Tage auf Oberflächen haltbar", könnte ein falscher Eindruck entstehen.